Ordnung / Unordnung

Im Buch Wanderer zwischen den Welten. Was Vögel in Städten erzählen von Caroline Ring lese ich, dass Nachtigallen besonders gerne im wegen seiner Geschichte unordentlichen Berlin leben, und Amseln sich im nicht nachverdichteten Bamberg wohlfühlen.

Wegen des vom Aussterben bedrohten Igels werden Menschen in Deutschland dringend aufgefordert, Gärten und Grünflächen doch bitte unordentlich zu lassen.

Es hat etwas Absurdes, dass zur Unordnung aufgerufen wird. Das widerspricht doch menschlichen Impulsen!1!

Der Technikphilosoph Joscha Bach sagte z.B. mal, dass menschliches Leben ein Kampf dafür sein, die Entropie aller Dinge aufzuhalten.

Der Science-Fiction Roman Do Androids Dream Of Electric Sheep? (Vorlage für Blade Runner) beginnt u.a. mit einer Szene in einem der vielen verlassenen Wohngebäude, die sich selbst, so heißt es dort, der Entropie hingeben: Die Anhäufung der Gegenstände, der Maschinen, der Dinge wird im Laufe der Zeit chaotischer, die Menge des Staubs nimmt zu, am Ende ist nichts mehr voneinander zu unterscheiden.

Man stelle sich nur vor: Die Staubsaugerroboter der Zukunft, die halb-depressiv, halb-verzweifelt versuchen, Müll rauszuschaffen, obwohl sie selbst zum Müll geworden sind, während ihre ordnungsschaffenden Gesetzgeber, die Menschen, längst verschwunden sind.

(Der Roman beginnt auch damit, dass der Protagonist sich endlich seinen Wunsch erfüllen muss: Ein echtes Haustier. Er besitzt nur ein elektrisches Schaf. Um an ein echtes Haustier zu kommen, bringt er illegale Roboter um. Durch dem Turing-Test nachempfundene Empathie-Tests findet er heraus, welche Menschen nur so tun als ob. Ironischerweise sind die Menschen selbst emotional manipuliert durch Programme in ihrem Gehirn, durch Fernsehen und durch eine „Empathie-Religion“.)

Tatsächlich gibt es immer mehr Müll, im wörtlichen wie übertragenen Sinne. Und so weiter die Moderne voranschreitet, umso mehr Müll ist da, zwangsläufig, einerseits, weil das Universum, andererseits, weil menschliche Tätigkeit die Entropie anstrebt. Das ist einfach so. Das menschliche Problem besteht dann vielmehr darin, diese Entropie gewaltsam einhegen zu wollen: In igel- und vogelfeindlichen Vorgärten, oder, in ultimo, in totalitären Ideologien.